Seit Anfang Mai hat sich der Deutsche Segler-Verband (DSV) im Bereich Wind- und Kitesurfen personell verstärkt. Der neue Mitarbeiter ist in der Regattaszene nicht unbekannt: Leon Delle ist seit vielen Jahren einer der Topfahrer im Multivan Windsurf Cup und war ebenfalls lange Zeit im Windsurf-Bundeskader des DSV. Wir hatten die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.
Hey Leon, herzlichen Glückwunsch zum neuen Job! Wie gefällt Dir die neue Aufgabe?
Vielen Dank. Die Möglichkeit mich nun auch beruflich dem Wassersport zu widmen ist für mich perfekt. Nachdem ich mich die letzten Jahre schon in der Nachwuchsförderung engagiert habe, schließen die neuen Aufgaben nun unter anderem auch die Top-Athleten mit olympischen Ambitionen ein. Ich bin froh dort etwas bewegen zu können.
Dein Arbeitsplatz ist in Kiel / Schilksee. Ist das eher positiv, weil man direkt nach der Arbeit aufs Wasser kann oder eher negativ, weil man den ganzen Tag den Athleten auf dem Wasser zuschauen muss?
Tatsächlich ist das ein wenig Fluch und Segen zugleich. Die Möglichkeit ein Büro mit „Meerblick“ zu haben ist schon einmalig und will ich definitiv nicht missen. Auch die Option so einfach nach (oder auch vor) der Arbeit nochmal aufs Wasser zu kommen begrüße ich sehr. Allerdings wünscht man sich hin und wieder natürlich auch selbst derjenige auf dem Wasser zu sein, dem man gerade vom Arbeitsplatz aus zuschaut.
Erzähl uns ein bisschen was über Deinen sportlichen Background?
Ich selbst bin mit 6 Jahren im Urlaub durch einen Windsurfkurs zum Windsurfen gekommen und hatte dann das Privileg an einem See mit Windsurfverein zu wohnen, bei dem ich den Sport in einem wöchentlichen Training fortführen konnte. Mit 11 Jahren bin ich dann zum Regattawindsurfen gekommen und es hat mir von Anfang an großen Spaß bereitet, mich mit Gleichgesinnten im Windsurfen zu messen.
Durch die Regattaleistungen wurde ich dann für den Landeskader berufen und später für den Bundeskader. Ich habe also an sich den klassischen vorolympischen bis olympischen Werdegang eingeschlagen, wodurch ich enorm viel von der Welt sehen konnte, viele tolle Menschen und Kulturen kennengelernt habe und das alles mit meiner Leidenschaft, dem Windsurfen kombinieren konnte. Der Landesverband sowie später der Bundesverband sowie mein Verein des SKBUe waren dabei stets in unterstützender Form beteiligt und haben das Ganze in dem Umfang erst möglich gemacht.
Dieser Weg ist in Deutschland mittlerweile leider nicht mehr ganz so reibungslos zu beschreiten – aber genau das gilt es wieder zu ändern bzw. im Kitesurfen einzuführen.
Nachdem die olympische Windsurfklasse RS:X dann in Deutschland mehr oder weniger zum Erliegen kam, war klar, dass eine Alternative hermusste. Im Deutschen Windsurf Cup habe ich diese finden können und messe mich dort nun seit 6 Jahren mit den Besten der Besten.
In mittlerweile über 15 Jahren Regatta-Windsurfen konnte ich dabei mehrere Deutsche Meister, einen Europameister und einen Weltmeistertitel einfahren und habe daher kein Problem damit, fortan dem Sport etwas zurückzugeben und meine eigenen sportlichen Ambitionen dabei ein wenig hintenanzustellen.
Wie bist Du zu dem Job beim DSV gekommen und was sind Deine Aufgaben?
Wie in jedem anderen Unternehmen durchläuft man auch beim DSV das Standardprozedere mit: Bewerbung einsenden, auf eine Einladung hoffen, sich persönlich vorstellen und auf eine Zusage hoffen. Dazu muss man sagen, dass ich aufgrund der Umstände (neues olympisches Windsurfmaterial, Kitesurfen als neue olympische Disziplin) auch darauf gehofft habe, dass diese Umstände auch im DSV zu etwas Umstrukturierung führen und genau das hat sich glücklicherweise bestätigt und ich konnte die neue Position für mich gewinnen.
Als Mitarbeiter der Abteilung für spezielle Segeldisziplinen liegen die Schwerpunkte meiner Arbeit im Bereich olympisches Wind- und Kitesurfen, wobei ich mit der Abteilung Leistungssport kooperiere. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich der Trainerausbildung, in dem ich zukünftig mitwirken werde.
Der Fokus liegt aktuell auf der konzeptionellen Erarbeitung funktionierender Strukturen innerhalb dieser zwei Bootsklassen. Dabei ist es mir sehr wichtig, in einem stetigen und engen Austausch mit den Vereinen, den Klassenvereinigungen und den Athletinnen und Athleten zu stehen, um gemeinsam in eine Richtung zu agieren.
Kannst Du trotz Deines neuen Jobs noch am Multivan Windsurf Cup teilnehmen?
Die Teilnahme am Deutschen Windsurf Cup wird zum Glück nicht durch meinen neuen Job tangiert. Ganz im Gegenteil wird es eher begrüßt, dass ich neben meinem beruflichen Engagement auch sportlich engagiert bleibe und somit auch nah an der Szene bin. Von daher werde ich wohl auch in den kommenden Jahren die meisten Tourstopps mitbeschreiten können und ich bin gespannt, wie sich der DWC hinsichtlich des neuen Olympiamaterials und im Bezug auf einheitliche Jugendklassen entwickeln wird.
Im vergangenen Jahr hast Du zusammen mit Marc Hollenbach das Training des SVSH geleitet. Wie geht es da weiter?
Das fragt ihr Marc am besten selbst, da ich aufgrund meiner Tätigkeit für den DSV nicht mehr als Trainer für den SVSH tätig bin. Allerdings konnte sich u.a. aus dem in 2019 stattgefundenen Training ein Landeskader bilden, wodurch ein wichtiger Grundstein in der Jugendförderung gelegt wurde. Zusätzlich haben sich weitere, privatorganisierte Trainingsangebote gebildet, was gerade Regattainteressierten und Anfängern eine gute Einstiegsmöglichkeit bietet.
Privat habe ich noch regelmäßig Kontakt zu den Athleten und zu Marc, der dort wirklich eine hervorragende Arbeit leistet.
Vielen ist gar nicht so richtig klar, welche Zuständigkeiten der DSV, die Landesverbände, die GWA und DWSV und die Vereine haben. Du bist jetzt ja mitten drin. Kannst Du da ein wenig Licht ins Dunkel bringen?
Da haben wir ihn endlich, den Elefanten im Raum. Die aktuell meistgefragte und gleichzeitig am wenigsten bekannte Thematik für (wettkampforientierte) Windsurfer. Es ist nicht leicht, das Ganze in zwei Sätzen detailliert zu erklären, aber ich möchte versuchen, ein paar grundlegende Dinge zu erläutern.
Der DSV ist der Dachverband und arbeitet u. a. eng mit Bund, DOSB und World Sailing (Weltverband aller Segelsportarten) zusammen. Er gibt u. a. Vorgaben für den Regattasport und dessen Durchführung, ist für den gesamten Ausbildungsbereich zuständig, kümmert sich um den Breiten- und Leistungssportbereich (z.B. Perspektivkader/Olympiakader), generiert Fördergelder, leistet Lobbyarbeit, kümmert sich um die Vereinsbetreuung und vieles mehr.
Darunter agieren die Landes-Seglerverbände (wovon die meisten auch einen Amtsträger für den Bereich spezielle Segeldisziplinen, wozu Windsurfen zählt, haben). Sie orientieren sich an den Vorgaben des DSV und kümmern sich u. a. um den Nachwuchs-Leistungssport-Bereich (Nachwuchskader), die Generierung und Verteilung von Landes-Fördergeldern und stehen als Ansprechpartner für die Vereine zur Verfügung.
Zudem gibt es für jede dem DSV zugehörige Bootsklasse eine Klassenvereinigung. Besonderheit beim Windsurfen ist, dass wir in Deutschland zwei Klassenvereinigungen (KV) haben; die GWA und die DWSV (beim Kitesurfen die GKA). Diese sind u. a. gemeinsam mit den Vereinen für die Durchführung des Regattasports zuständig. Auch hier haben wir in Deutschland eine Besonderheit, da die Regatten der GWA und der GKA von einer Eventagentur durchgeführt werden.
Natürlich haben alle Institutionen noch enorm viel weitere Aufgaben, die hier aber nicht alle beschrieben werden können. Des Weiteren gibt es etliche weitere Institutionen, die in Wechselwirkungen mit den drei genannten Institutionen stehen.
Eine entscheidende Information ist vielleicht, dass jegliche (Kader-)Förderung an die internationale vorolympische bzw. olympische Bootsklasse gekoppelt ist. Das ist beim Windsurfen im Senioren-Bereich zukünftig das iQFOiL und in der Jugendklasse wird darüber aktuell noch diskutiert, wie es langfristig aussehen soll (Kitesurfen: Youth Foiling bzw. Formula Kite). Für mehr Aufklärungsarbeit müsste man mich dann auf einen Kaffee einladen :D.
Der Wechsel aufs Foil bringt jede Menge Veränderungen. iQFoOiL ist neue olympische Klasse. Im U17/U19-Bereich kommt mit Techno Wind Foil auch ein Foiling-Format. Was bedeuten diese Veränderungen für Deine Arbeit aber auch für die Sportler und den Windsurf Cup?
Die Veränderungen selbst haben keinen Einfluss auf meine Arbeit, aber grundsätzlich ist der DSV daran interessiert, dass das Nachwuchstraining auf dem vorolympischen Material absolviert wird. Grundsätzlich ist die Basisausbildung auf dem Techno293 gedacht. Spätestens mit 15 Jahren sollte man meiner Einschätzung nach aber auch mit dem Foiling beginnen. Hier ist damit zu rechnen, dass es zukünftig auch eine einheitliche Jugend-FOiL-Klasse geben wird. Das Techno Wind Foil stellt hier eine Option dar, allerdings ist sich hier an den internationalen Vorgaben zu orientieren.
Zudem ist geplant, dass sowohl im Jugendbereich aber vor allem auch im Seniorenbereich eine nationale Regattastruktur auf dem (vor-)olympischen Material vorhanden sein wird.
In Bezug auf die Sportler und den Windsurf Cup bedeutet dies, dass wir (wie auch die meisten anderen Nationen um uns herum) in Zukunft den ambitionierten Wettkampfsport in der Racing Disziplin verstärkt hinsichtlich (vor-)olympischer Einheitsklassen orientieren wollen und es unumgänglich sein wird, für eine Förderung seitens LSV und /oder DSV in der olympischen Klasse zu starten.
Wenn Du Dir etwas wünschen könntest… wie würde Deutschland in drei Jahren aufgestellt sein?
Dazu sei vorweg gesagt, dass dies keineswegs ein unrealistisches Wunschdenken ist, sondern als Zielsetzung zu verstehen ist.
Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Segelvereine im Boardsport-Bereich engagieren, sodass wir in drei Jahren mindestens die doppelte Anzahl an Nachwuchssurfern haben, die durch den Verein regelmäßiges Training bekommen und sich bei länderübergreifenden Maßnahmen austauschen und verbessern können. Es würde auch in anderen Bundesländern als nur in Schleswig-Holstein einen Nachwuchskader geben, der von ausgebildeten Trainern regelmäßig unterrichtet wird. Mehr Trainerinnen und Trainer würden eine offizielle Trainerlizenz über den DSV erwerben, um das Schulungsniveau anzuheben und dem Nachwuchs eine optimale Ausbildung anbieten zu können. Die Topfahrer engagieren sich noch stärker in der Nachwuchsförderung und geben ihre Leidenschaft und ihr Know-how an die nächste Generation weiter.
Die deutschen Top-Athleten haben die Möglichkeit, an einer professionellen nationalen Regattaserie auf dem einheitlichen iQFOiL Material teilzunehmen, ohne dabei einen Materialnachteil hinnehmen zu müssen. Sie werden bei Trainings und Wettkämpfen seitens des DSVs gefördert und unterstützt, sodass Sie sich zu hundert Prozent auf den Sport konzentrieren können und sich um organisatorische und finanzielle Sorgen wenig Gedanken machen müssen. Es hat sich eine Kadergruppe auf Top-Niveau (auch im weiblichen Windsurfbereich) gebildet, deren Mitglieder sich gegenseitig zu Höchstleistungen pushen und das Ziel verfolgen, bei den Olympischen Spielen für Deutschland um Medaillen zu kämpfen. So in etwa würde ich mir es wünschen und ich finde, das klingt doch gar nicht mal so schlecht.
Wie schätzt du die materialbezogenen Veränderungen und die daraus resultierenden Möglichkeiten für die Sportler ein?
Mit dem Umstieg vom Mistral One Design auf das Neilpryde RS:X haben wir in Deutschland nicht gerade Pionierarbeit geleistet. Woran das lag oder wem man die Schuld dafür gibt ist keineswegs nützlich oder zielführend. Mit dem neuen Umstieg vom RS:X auf das iQFOiL haben wir eine riesige Chance bekommen. Jetzt ist es wichtig, dass wir alle die RS:X-Ära abhaken (und nicht in alten Strukturen denken) und die neugewonnene Chance auch nutzen. Der DSV hat nicht nur durch die Schaffung meiner Stelle gezeigt, dass er sehr daran interessiert ist, sich dieser Chance (gilt auch fürs Kitesurfen) anzunehmen. So finden beispielsweise auch im Juni schon erste DSV-Windfoil-Workshops in Schilksee statt.
Für die Sportler ergibt sich daraus ebenfalls eine große Chance. Vor allem für den Nachwuchsbereich, der nicht nur nach der Jugendklasse Techno293 wenig Aussicht auf eine Karriere innerhalb geförderter Strukturen hatte, da der olympische Bereich zuletzt kaum mehr zugänglich für ambitionierte Regattasurfer in Deutschland war. Mit dem neuen olympischen Format gibt es endlich wieder eine Klasse, die näher an dem ist, was wir in Deutschland bereits surfen. Zudem besteht bereits eine nationale Regattaserie (gab es im RS:X zuletzt nicht) und somit bieten sich sehr gute Rahmenbedingungen, um den Weg zu den Olympischen Spielen zu verfolgen.
Klar, muss man den Sportlern diesen Weg erst nochmal erklären und genau aufzeigen, aber die Vorteile liegen auf der Hand. Wer Interesse an einer professionell orientierten Windsurf-Karriere hat, hat innerhalb der genannten Förderstrukturen die besten Voraussetzungen diesem Wunsch nachzugehen, ohne dabei von Materialunterschieden oder der eigenen finanziellen Situation benachteiligt zu sein. Des Weiteren bildet (nur) dieser Weg optimale Bedingungen um die sportliche und berufliche Karriere miteinander kombinieren zu können und letztlich unter den Gesichtspunkten „Wahrung der Prinzipien der Fairness“, „Chancengleichheit“, „Internationalität“, „Friedlichkeit“, „Solidarität“, „Pluralität“ und „Toleranz“ das eigene Land bei den Olympischen Spielen vertreten zu können. Und dieses Feuer gilt es neu zu entfachen.
Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast! Wir wünschen Dir viel Spaß und Erfolg für Deine Aufgaben beim DSV und freuen uns, wenn wir Dich demnächst wieder bei einem Windsurf Cup sehen können.
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